Zeitreise
Als ich ein Kind war, noch unbefangen,
Neugier aufs Leben ließ mich nicht ruhn,
fand man viele Wege, mich zu prägen,
sei’s durch die Bildung, sei’s durch das Tun.
Spielen allein war mir Zweck und Ziel
und spielend lernte ich Welten kennen.
Ich wusste noch nicht wer Sartre war,
nicht wo Benin liegt, nicht wo die Ardennen.
Darauf in der Schule, da hab ich mir bald
ganz neue Sphären geschaffen, erlesen
mit Kasper und Seppel, mit Pippi, Jim Knopf
und manchen recht seltsamen Märchenwesen.
Man brachte mir später die Dichter nahe,
die guten, die alten – sie seien der Grund
für Wesen, Kultur und Denken der Deutschen,
darüber hinaus sei das meiste nur Schund.
Ich muss schon sagen: Das Mittelhochdeutsche,
der treue Walther mit seinem Gesang -
mag sein, dass die Germanisten das brauchen,
ich selbst spürte nicht den leisesten Drang.
Doch das von den Räubern und Nathan der Weise,
die Glocke, die Bürgschaft – die taten’s mir an!
Den Guten und Edlen fühlt’ ich mich verbunden,
der Herr mit dem Birnbaum war auch solch ein Mann.
Mit Eichendorff zog ich durch die Wälder
und lernte die großen Romantiker lieben;
das echte Gefühl, das wahre Idyll,
die sind mir dabei nicht verborgen geblieben.
Meine Zeitreise führte mich daraufhin
zurück, zu den antiken Staaten.
Den Platon begriff ich, manch anderen nicht,
las Mythen, und von hehren Taten.
Beim Niedergang Roms war ich dabei
Und sah auch schon vorher Troja brennen,
der Minotaurus machte mir Angst,
doch lernte, zum Glück, ich Theseus kennen.
Ich war gefesselt, wie betrunken,
sang Helden- und Triumphzuglieder,
doch fand ich mich, nach einiger Zeit
im zwanzigsten Jahrhundert wieder
Gleich zu Beginn fand ich Begleiter:
Franz Kafka, Rilke, Morgenstern.
Sie konnten mich für sich gewinnen,
und Hesse las ich wirklich gern.
Mit Demian, Narziß und Goldmund,
mit Steppenwofl ging ich auf Tour,
sie sollten mir Erkenntnis bringen
und ich blieb lang’ auf ihrer Spur.
Siddhartha – ganz ehrlich – war mir zu hoch,
Brecht hatte die besondre Note.
Ich las den Dürrenmatt, den Böll,
doch schlecht stand’s um die Frauenquote.
Erst später fand ich den Weg zu ihnen
- hier meine ich nicht nur Hera Lind -
schon eher Allende und manche Legende
und die, von denen die Träume sind......
Mit Beauvoir und Hannah Arendt
gab ich mich intellektuell,
um hier und da zu imponieren,
und zwar nicht nur der Annabell!
Ich ließ sie sein, die höchsten Sphären,
begab mich auf Normal-Niveau:
Die Heidenreich wollt’ ich nicht missen,
Charlotte Link ganz ebenso.
Jetzt, wo ich in die Jahre komme,
wird mir, Bob Dylan lesend, klar,
dass ich in meinen früheren Seiten
bisweilen schon mal älter war.
Für mich gab’s immer nur das Eine,
dem meine Euphorie grad galt,
daneben ließ ich nichts bestehen:
In diesem Sinne war ich alt!
Auch wenn ich vieles unklar sehe
und manches auf der Strecke blieb:
Fiktiv und echt – das, was mich prägte,
es bleibt mir wichtig, ist mir lieb!