Zum April diesen Jahres ist nun ein Teil meiner selbst
zur Psycho-Fraktion gewechselt. Mein Ansinnen war,
neue Erfahrungen zu sammeln und vor allem auch meinen
Horizont an Fachbegriffen zu erweitern, denn das kommt
immer gut.
So weiß ich mittlerweile zum Beispiel um den Begriff der
Doppel-Diagnose. Ganz recht: D- D, das sprachliche Mittel
ist hier ganz wichtig, es soll nach was klingen und das tut es
ja auch. Doch was ist so eine Doppel-Diagnose denn nun
eigentlich?
Gehen wir zurück in die Geschichte, so tauchte die erste,
auch der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemachte
Doppel-Diagnose, kurz: D-D, schon in den 20 er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts auf: "Dick und Doof!"
Später, in den frühen 90 er Jahren etwa, wurde eine andere
D-D populär, die sich bis heute gehalten hat, "Blond und Blöd!"
Doch lassen wir uns nicht von solchen Äußerlichkeiten
vom Eigentlichen ablenken:
In unseren therapeutischen Settings begegnet uns das
Phänomen der D-D immer wieder wie von selbst.
Sei es - ich gehe jetzt mal alphabetisch vor -
der angsterkrankte Anankastiker, der besessene Borderliner,
der cholerische Chaot, der depressive Dummbeutel, der
exzentrische Egomane, der fanatisch-frivole Fetischist,
der größenwahnsinnige Gigolo, der hebephrene Hysteriker,
der impotente Intrigant, der jemeinjefährliche Jeck
(gibt es nur in Kölle), der ko-abhängige Kleriker, der
libidinöse Legastheniker, das manisch-multiple
Mamasöhnchen, der...NN......
Ja, Sie glauben gar nicht wie viele NN's herumlaufen,
es wimmelt nur so davon.
Wer hält im Wintersemester die Vorlesung in
angewandter postmodern bilateral phasenorienter
Dialektik?
Wer wird ab Januar im Hinterzimmer der Zentrale
des Job-Centers sitzen?
Wer wird demnächst - bei vorgezogenen Neuwahlen -
die Merkel beerben? Immer der N-N!
Die NN's, das sind alles nihilistische Neurotiker,
wie Sie wissen müssen. Denn: Der Nihilismus ist ja
ihre Neurose! Sie glauben an gar nichts, noch nicht
mal mehr an sich selbst! Kein Wunder, dass sie
neurotisch sind.
Es sagen manche, der N-N wäre was ganz anderes...
Z.B. Notorischer Nostalgiker, ja klar.
Sie sagen, das sei doch nichts Schlimmes, das sei
doch kein Problem, das sei doch keine Diagnose???
Man merkt, Sie haben keine Ahnung, aber Sie waren
wohl auch noch nie mit so einem notorischen
Nostalgiker verheiratet: An keinem Antiquar kann er
vorbeigehn, keinen Flohmarkt lässt er
aus, zuhause wimmelt es von Persil- und Brandt-
Markenzwieback-Blechdosen, von überalher grinsen
einen wohlbekannte Gesichter an: Clementine, als sie
noch jung war, Ferreros frühe Kindheit, Alete kotzt
das Kind und so weiter. Nicht zu vergessen 20
Motorrad-Miniaturen aus den 30ern, wenn es denn
bei den Miniaturen bleibt......
Und was meint ihr, die anderen Maschinchen:
Die Zanker aus den 50ern, die Miele aus den 60ern,
die Siemens aus den 80ern: Alle sind sie noch da,
täglich steige ich drüber.
Und dann erst die Musik, die Musiiiik, ich sag euch:
Nix da mit CD's oder so, alles Schallplatten, von
Heintje bis Elvis, die ganze Palette, 835 Stück,
und an Feiertagen wird noch mit dem Grammophon
gespielt - könnt ihr euch das eigentlich vorstelllen?
Und da habe ich neulich zu meinem Mann gesagt,
ganz vorsichtig hab ich gesagt:
"Schaaaatz, morgen ist Sperrmüll!" und da sagte der:
"Prima, vielleicht finden wir ja noch was!"
Also, wer jetzt noch behauptet, der Notorische
Nostalgiker, das sei keine Diagnose, der kommt
jedenfalls nicht in unsere Psycho-Fraktion!
Wir lassen jetzt die anderen alle mal weg -
aus Zeitgründen. Wir lassen sie weg, den opulenten
Oligophrenen, den paranoiden Psychotiker,
den quälgeistigen Querulanten, den radikalen Regel-
fanatiker, den stigmatisierten Sozipath, den
therapieresistenten Tollpatsch, den unterbelichteten
Urschrei-Therapierten, den voyeuristischen Vegetarier
(das ist der, der anderen immer heimlich beim
Fleisch-Essen zuschaut), den wahnbesetzten
Wehleidigen, den X- Y- zoophoben Zyniker.
Sie alle habe ich aus Zeitgründen weggelassen, wie
Sie gemerkt haben.
Aber, zum Schluß: Ist nicht der Begriff der Doppel-
diagnose in sich widersinnig?
Es gibt doch nur eine Diagnose, und wenn sie sich über
40 Fachbegriffe und 6 Seiten erstreckt.
Ist also eine Doppeldiagnose eine, die von 2 Fachleuten
unabhängig voneinander gestellt wurde?
Oder aber heißt das am Ende, dass der Doppel-
Diagnostiker selbst schizophren sein muss, oder mit
einer multiplen Persönlichkeit versehen?
Wie immer im Leben bleiben hier Fragen offen.
Damit müssen wir leben. In diesem Sinne:
Lasst die Diagnöschen, pflegt Eure Neuröschen,
und Tschüß!
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